Väterchen erzählt vom Krieg

Heute dokumentieren wir hier mal ein Stück Geschichte. Man stelle sich vor: Es ist das Jahr 1972. Ein 21jähriger junger Mann aus dem Mê Kông-Delta studiert Medizin in Sài Gòn.

Als er sein Examen abgeschlossen hat, sollte eigentlich ein dreijähriges Praktikum folgen, dann ist die Ausbildung vollständig. Weil die südvietnamesische Armee jedoch auf verlorenem Posten steht und dringend Nachwuchs sucht, wird er zwangsrekrutiert und als Medizinischer Offizier eingesetzt.

Fahrradtour im Mê Kông-DeltaDie Schrecken des Krieges enden für den jungen Leutnant im November 1974, fünf Monate vor Kriegsende: Ein Splitterbombe kostet ihn 60 Prozent der Sehkraft rechts und 60 Prozent des Gehörs links, eine Landmine zertrümmert sein rechtes Bein. Nach der Genesung wird er nur noch kurze Strecken laufen können, das Fortbewegungsmittel der Wahl ist von nun an das Fahrrad.

Pause vom FahrradfahrenNach Kriegsende bleibt dem jungen Mann die Weiterführung seines Studiums verwehrt. Stattdessen wird er in ein kommunistisches Umerziehungslager verschickt – er hat schlicht und ergreifend auf der falschen Seite gekämpft. Erst nach 28 Monaten kann ihn der Onkel, Mitglied der kommunistischen Partei, freikaufen. Er kehrt zurück ins schöne Delta und lebt als Farmer.

Nach acht Jahren holt ihn ein Freund wieder nach Sài Gòn: Seine medizinischen Kenntnisse lassen sich auf dem Schwarzmarkt lukrativ einsetzen, um mit geschmuggelten Medikamenten zu handeln. Erst 1992, als die Volksrepublik Vietnam die Öffnung beschließt, kann unser Protagonist wieder legal arbeiten:Ananas auf dem Floating Market Er eröffnet zusammen mit seinem Freund eine Apotheke. Hier wird Anfang des neuen Jahrtausends der junge Sinh Stammkunde. Sinh eröffnet gerade ein Büro für Tourismus-Touren in ganz Việt Nam, Sinhbalo Tours. Nachdem man sich kennengelernt hat, bietet er unserer Hauptperson einen Job als Tourguide an: Exzellente Kenntnisse über die Region und sehr gute Englischkenntnisse sind ein Verkaufsschlager. Nach mehreren Monaten Bedenkzeit nimmt dieser das Angebot an.

Wir dürfen vorstellen: Le Van Nghi, unser Guide im Delta, ist heute 62 Jahre alt. In den letzten Jahren hat er unter Anderem die Autoren des Lonely Planet quer durch das Land begleitet. In ein bis zwei Jahren setzt er sich in seinem geliebten Delta zur Ruhe.Le Van Nghi, Lum, Bela (v.l.n.r.) Nghi fuhr mit uns etwa 50 Kilometer Rad mitten durch die Pampa, fütterte uns mit den verrücktesten Früchten, zeigte uns schwimmende und nicht-schwimmende Märkte (inklusive Ratten- und Schlangenständen), Bananenblüten und Obstplantagen, und überhaupt alles was in der Region sehenswert ist. Wir waren drei Tage mit ihm unterwegs, und es hat sich gelohnt.

Am Ende der drei Tage besorgte uns Nghi den Bus nach Rạch Giá, und eine Übernachtungsmöglichkeit in der kleinen Hafenstadt. Überhaupt kümmerte sich Nghi herzallerliebst um alles, was uns in den Sinn kam. Wir haben sozusagen einen neuen Freund gefunden. Der nächste Morgen brachte uns dann ans Ende unserer Reise, die kleine aber feine Insel Phú Quốc. Wie es dort weiterging, erfährt ihr aber nicht mehr heute, sondern beim nächsten Mal.

Bis dahin
Lum und Bela

Ein Gedanke zu „Väterchen erzählt vom Krieg“

  1. wir sind total begeistert von Euren Berichten ! Sind schon sehr gespannt auf mehr Bilder und Live-Erzählungen.
    Kommt gut zurück und bis bald !!!Liebe Grüße von allen Belas, Distlers und Walters

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